Die Idee einer Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und Österreich im Bereich der Luftsicherheit beruht auf konkreten Gegebenheiten. Beide Länder überwachen einen alpinen Luftraum, in dem das Gelände die Radarabdeckung beeinflussen kann. In mehreren Medienberichten wird erwähnt, dass eine Kooperation die Erkennung in Grenzregionen verbessern und bestimmte Ressourcen effizienter einsetzen könnte. Um diese Option zu beurteilen, müssen technische, finanzielle und rechtliche Fakten berücksichtigt werden.
Seit 2024 stellt die Schweiz einen rund um die Uhr verfügbaren Luftpolizeidienst sicher. Gemäss SRF erfordert dieser Betrieb etwa 30 Millionen Franken pro Jahr zusätzlich, um die permanente Einsatzbereitschaft von Crews und Abfangjägern zu gewährleisten. Hinzu kommen die Investitionen des Programms Air2030, darunter der Kauf der F-35A, die Modernisierung der Radarsysteme und die Beschaffung der bodengestützten IRIS-T SLM-Systeme. Österreich steht vor eigenen finanziellen Herausforderungen. Die Eurofighter der Tranche 1 verursachen hohe Unterhaltskosten und weisen einen dokumentierten Modernisierungsbedarf auf. Dies erklärt das österreichische Interesse an bestimmten Formen der Zusammenarbeit. Öffentliche Zahlen ermöglichen jedoch keine Aussage darüber, ob eine Kooperation die Gesamtkosten tatsächlich senken würde. Europäische Erfahrungen zeigen im Gegenteil, dass Interoperabilität zusätzliche Investitionen in Technik, gesicherte Datenverbindungen und Verfahren erfordert.

Für eine funktionierende operative Zusammenarbeit sind technische Voraussetzungen unerlässlich. Beide Länder müssten ihre Radardaten, Identifikationen und Luftlagebilder in Echtzeit über kompatible, verschlüsselte Verbindungen austauschen können. Heute nutzen die Luftstreitkräfte Systeme, die auf unterschiedlichen Formaten und Protokollen beruhen. Die Schweiz wird in ihren F-35A und den IRIS-T-SLM-Systemen das taktische Datenprotokoll Link-16 einsetzen, während Österreich im Überwachungssystem hauptsächlich das Protokoll Link-1 nutzt. Diese Protokolle sind nicht nativ kompatibel und erfordern technische Schnittstellen, um einen gesicherten Datenaustausch zu ermöglichen. Die Integration verlangt Anpassungen bei Sensoren, Führungssoftware, Standards und Abläufen. Der Beitritt beider Staaten zur European Sky Shield Initiative zeigt, dass sie an europäischen Standardisierungsbemühungen teilnehmen. Dies hat jedoch unmittelbare Auswirkungen auf industrielle und logistische Entscheidungen.
Analysen zum Krieg in der Ukraine liefern weitere faktenbasierte Hinweise auf aktuelle Entwicklungen der Luftverteidigung. Untersuchungen von CSIS, RUSI oder CSBA beschreiben ein System, das auf verteilten, redundanten Sensoren und einer durchgängigen Informationskette basiert, die auch unter Stör- oder Beschussbedingungen funktionsfähig bleiben muss. Bodenluftverteidigung, Radare, elektronische Gegenmassnahmen und Kampfflugzeuge müssen in einem gemeinsamen Informationsfluss integriert sein. Diese Erkenntnisse helfen zu bestimmen, unter welchen Bedingungen eine bilaterale Kooperation die Resilienz erhöhen kann, beispielsweise durch zusätzliche Erkennungsquellen oder eine kontinuierliche Überwachung in komplexen Geländebereichen. Sie zeigen auch, wo Abhängigkeiten entstehen können, wenn Teile der Entscheidungs- oder Sensorikstruktur auf einen anderen Staat angewiesen sind.
Die rechtliche Dimension ist durch bestehende europäische Abkommen gut dokumentiert. Eine Abfanghandlung im nationalen Luftraum erfordert selbst im Notfall klare Bestimmungen zu Entscheidungswegen, Einsatzregeln, Identifikationsverfahren und politischer Verantwortung. Europäische Beispiele zeigen, dass solche Fragen vor einem gemeinsamen Betrieb vertraglich geregelt werden müssen. Die Schweiz und Österreich verfügen jeweils über eigene gesetzliche Grundlagen und Neutralitätstraditionen. Eine operative Zusammenarbeit muss daher präzise festlegen, wer eine Identifikation anordnet, wer das Überqueren einer Grenze durch ein bewaffnetes Militärflugzeug genehmigt und wer im Ernstfall die Verantwortung trägt.
Auch das finanzielle Argument ist anhand verfügbarer Fakten einzuordnen. Während Kooperationsprojekte gelegentlich potenzielle Einsparungen hervorheben, zeigen veröffentlichte Daten, dass Kosten für Systemkompatibilität, Ausbildung, gesicherte Kommunikation, Software-Updates und Governance erheblich sein können. Es existieren derzeit keine öffentlichen Dokumente, die eine eindeutige Netto-Ersparnis für eine schweizerisch-österreichische Zusammenarbeit bestätigen würden. Eine transparente Darstellung der Kostenverteilung wäre Voraussetzung für eine belastbare Bewertung.
Die Diskussion betrifft daher nicht nur die Frage, ob man kooperieren soll, sondern unter welchen konkreten Bedingungen dies möglich ist. Die veröffentlichten technischen, finanziellen und rechtlichen Elemente erlauben eine präzise Fragestellung: Unter welchen Bedingungen kann die Schweiz ein grenzüberschreitendes Überwachungs- und Warnsystem integrieren und gleichzeitig eine eindeutig nationale Entscheidungsstruktur beibehalten? Diese Frage lässt sich nur auf Grundlage überprüfbarer Fakten beurteilen.
Quellen:
SRF – Schweiz – 24-Stunden-Luftpolizeidienst kostet 30 Millionen
https://www.srf.ch/news/schweiz/schweiz-24-stunden-luftpolizeidienst-kostet-30-millionen
SRF – Keine Bürozeiten mehr: Flugzeuge der Luftpolizei neu 16 Stunden einsatzbereit
https://www.srf.ch/news/schweiz/keine-buerozeiten-mehr-flugzeuge-der-luftpolizei-neu-16-stunden-einsatzbereit
Swissinfo – Luftwaffe benötigt 100 Stellen für 24-Stunden-Luftpolizeidienst
https://www.swissinfo.ch/ger/luftwaffe-benoetigt-100-stellen-fuer-24-stunden-luftpolizeidienst/41811242
RTS – La fin des « heures de bureau » pour la police du ciel helvétique
https://www.rts.ch/info/suisse/11858756-la-fin-des-heures-de-bureau-pour-la-police-du-ciel-helvetique.html
VBS / armasuisse – Die Schweiz beschafft fünf IRIS-T SLM Systeme zur bodengestützten Luftverteidigung
https://www.ar.admin.ch/de/newnsb/ZjsNYPpgoETj
Confédération – Schweiz unterzeichnet Beitrittserklärung zur European Sky Shield Initiative
https://www.vbs.admin.ch/de/nsb?id=102847
Der Standard – Österreich ist Luftabwehr-Initiative Sky Shield beigetreten
https://www.derstandard.at/story/3000000221880/oesterreich-ist-luftabwehr-initiative-sky-shield-beigetreten
Der Standard – Sky Shield: Raketenschutzschirm für Europas Himmel
https://www.derstandard.at/story/2000140888192/sky-shield-raketenschutzschirm-fuer-europas-himmel
Der Standard – Verteidigungsexperte zu Sky Shield: « Österreich darf sich nicht nur Rosinen rauspicken »
https://www.derstandard.at/story/2000141063084/verteidigungsexperte-zu-sky-shield-oesterreich-darf-sich-nicht-nur-rosinen-rauspicken
Bundesheer – Luftstreitkräfte: Luftraumüberwachung und Luftraumsicherheit
https://www.bundesheer.at/unser-heer/organisation/verbaende/luftraumueberwachung
CSIS – Air and Space Domain Lessons from Russia-Ukraine: Part One – Conflict in Focus
https://www.csis.org/analysis/air-and-space-domain-lessons-russia-ukraine-part-one-conflict-focus
CSIS – Air and Space Domain Lessons from Russia-Ukraine: Part Two – Conflict in Focus
https://www.csis.org/analysis/air-and-space-domain-lessons-russia-ukraine-part-two-conflict-focus
CSIS – Lessons from the Ukraine Conflict: Modern Warfare in the Age of Autonomy, Information, and Resilience
https://www.csis.org/analysis/lessons-ukraine-conflict-modern-warfare-age-autonomy-information-and-resilience
CSBA – Integrated Air and Missile Defense: Early Lessons from the Russia-Ukraine War
https://csbaonline.org/about/news/integrated-air-and-missile-defense-early-lessons-from-the-russia-ukraine-war
NATO – Air Policing: Architecture, Procedures and Cross-Border Coordination
https://www.nato.int/cps/en/natohq/topics_132685.htm
armasuisse – Modernisierung der Radaranlagen für die Luftwaffe
https://www.news.admin.ch/de/nsb?id=100585
DETEC – Aviation civile: Surveillance aérienne et gestion du trafic
https://www.bazl.admin.ch/bazl/fr/home/themes/surveillance-aerienne.html
